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franzoesischer_garten

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franzoesischer_garten [2022/04/03 12:46] cnfranzoesischer_garten [2022/06/29 21:02] (aktuell) – [Charakteristika] cn
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-Weitere Schüler Le Nôtres wie Desgots, Garnier d'Isle, Gabriel oder Girard führten den Stil nach seinem Tod 1700 weiter z. B. in den Anlagen von Château de Bagnolet, Champs, Crécy, Bellevue, Choisy, Compiègne, wie auch in Nymphenburg, Schleißheim, Brühl oder Wien, wobei nach und nach ein Trend zur Variierung zunahm: +Weitere Schüler Le Nôtres wie Desgots, Garnier d'Isle, Gabriel, Charbonnier oder Girard führten den Stil nach seinem Tod 1700 weiter z. B. in den Anlagen von Château de Bagnolet, Champs, Crécy, Bellevue, Choisy, Compiègne, wie auch in Nymphenburg, Schleißheim, Herrenhausen, Brühl oder Wien, wobei nach und nach ein Trend zur Variierung zunahm: 
  
 Aufwändige Parterres aus Broderien mit ihren Kurven und Gegenkurven wurden durch Parterres aus Gras mit Blumenbeeten ersetzt, die leichter zu pflegen waren. Aus Kreisen wurden Ovale, sogenannte Rotulen, mit strahlenförmig nach außen verlaufenden Alleen, und es entstanden unregelmäßige Achteckformen. Die Gärten folgten nun der natürlichen Landschaft, anstatt Erde zu bewegen, um den Boden zu künstlichen Terrassen zu formen, was sich nach und nach auch in der Verdrängung und teilweise sogar Umformung von Barockgärten durch den [[Englischer Landschaftsgarten|englischen Stil]] ab 1750 zeigte, in denen aber die gebäudenahen Bereiche meist unangetastet blieben. Aufwändige Parterres aus Broderien mit ihren Kurven und Gegenkurven wurden durch Parterres aus Gras mit Blumenbeeten ersetzt, die leichter zu pflegen waren. Aus Kreisen wurden Ovale, sogenannte Rotulen, mit strahlenförmig nach außen verlaufenden Alleen, und es entstanden unregelmäßige Achteckformen. Die Gärten folgten nun der natürlichen Landschaft, anstatt Erde zu bewegen, um den Boden zu künstlichen Terrassen zu formen, was sich nach und nach auch in der Verdrängung und teilweise sogar Umformung von Barockgärten durch den [[Englischer Landschaftsgarten|englischen Stil]] ab 1750 zeigte, in denen aber die gebäudenahen Bereiche meist unangetastet blieben.
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 ^Bosquet   |Boskett/Wäldchen |Gruppe von Bäumen, in der Regel in einiger Entfernung vom Haus, die als Zierde dienen; //Lustwäldchen// ^Bosquet   |Boskett/Wäldchen |Gruppe von Bäumen, in der Regel in einiger Entfernung vom Haus, die als Zierde dienen; //Lustwäldchen//
 ^Broderie   |Parterre |Flaches, nur niedrig bepflanztes Gelände, in Form einer ebenen Terrasse; viele Varianten |  ^Broderie   |Parterre |Flaches, nur niedrig bepflanztes Gelände, in Form einer ebenen Terrasse; viele Varianten | 
-^Jeux d'eau   |Wasserspiele |Übergriff für Wasserverwendung in Gartenanlagen | +^Jeux d'eau   |Wasserspiele |Überbegriff für Wasserverwendung in Gartenanlagen | 
 ^Patte d'oie  |Gänsefuß |Wenn mindestens drei Straßen oder Wege strahlenförmig von einem zentralen Punkt ausgehen | ^Patte d'oie  |Gänsefuß |Wenn mindestens drei Straßen oder Wege strahlenförmig von einem zentralen Punkt ausgehen |
 ^Saut de loup |Ha-ha |Versteckte, abgesenkte Grenze in der Landschaft | ^Saut de loup |Ha-ha |Versteckte, abgesenkte Grenze in der Landschaft |
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 ==== Pflanzen ==== ==== Pflanzen ====
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 +Bevorzugt werden formgeschnittene Pflanzen wie
  
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-Eibe, geometrisch formgeschnitten+Eibe, geometrisch formgeschnitten; Schloß Versailles
  
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 +
 +Klassische Heckenpflanzen:
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 +  * Eibe
 +  * Thuja
 +  * Scheinzypresse
 +  * Hainbuche
 +  * Liguster
 +  * Feuerdorn
 +  * Berberitze
 +  * Buchs
 +
 +Solitäre:
 +
 +  * Weißdorn
 +  * Feldahorn
 +  * Stechpalme
 +  * Wacholder
 +
 +[{{ :888px-buchen_schloss_schwetzingen_02.jpg?200x130&direct|
 +
 +Buchen-Baumwand; Schloß Schwetzigen
 +
 +((
 +[[https://de.wikipedia.org/wiki/Formschnitt#/media/Datei:Buchen_Schloss_Schwetzingen_02.JPG|Gemeinfrei]]
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 +}}]
 +
 +Hochstamm (als Kugel- oder Quadrat):
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 +  * Platane
 +  * Kugel-Feldahorn
 +  * Kugel-Spitzahorn
 +  * Hainbuche
 +  * Kirschlorbeer
 +
 +Baumwände:
 +
 +  * Winterlinde
 +  * Buche
 +  * Mispel
  
 <blockquote>In seinem von ‚beglückender Mathematik‘ bestimmten Gartenstil ordnen sich die Pflanzen mit ihren Eigenarten und Wirkungen der Architektur und Ornamentik des Gartens unter. Hainbuche und Buchsbaum sind – neben Stein, Holz und Wasser – die lebendigen Werkstoffe, mit deren Hilfe Linie und Quadrat, Arabeske und Palmette, Perspektive und Harmonie geschaffen werden.((Gerda Torniepoth: //Buchs im Garten.// BLV Verlagsgesellschaft, München 2001, S. 13))</blockquote> <blockquote>In seinem von ‚beglückender Mathematik‘ bestimmten Gartenstil ordnen sich die Pflanzen mit ihren Eigenarten und Wirkungen der Architektur und Ornamentik des Gartens unter. Hainbuche und Buchsbaum sind – neben Stein, Holz und Wasser – die lebendigen Werkstoffe, mit deren Hilfe Linie und Quadrat, Arabeske und Palmette, Perspektive und Harmonie geschaffen werden.((Gerda Torniepoth: //Buchs im Garten.// BLV Verlagsgesellschaft, München 2001, S. 13))</blockquote>
  
 +In den Gärten angegliederten Orangerien, die dafür sorgten, daß nicht-frostharte Gewächse den Winter überstanden, fanden exotische Gehölze wie Zitruspflanzen ihren Unterstand.
  
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 ==== Wirkung ==== ==== Wirkung ====
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 +Ein Garten spiegelt immer die Kultiviertheit und den Intellekt seines Bauherrn wieder. In Französische Gärten floß daher das beste Know-How seiner Zeit hinein.
  
 Anders als viele herkömmliche Interpreten der Zeit danach (viele Barockgärten wurden in Landschaftsgärten umgewandelt), ist eines ganz klar festzustellen: Der Garten arbeitet mit Kraftlinien und -flüssen, die Raum und eine Landschaft so wirken lassen, daß sie dem, sich auf der Anlage befindenden Menschen zufließt, ganz egal, ob er nun König oder einfacher Bürger ist. Die Wirkung ist identisch und läßt sich jeden, der sich darauf einläßt, gleich fühlen. Anders als viele herkömmliche Interpreten der Zeit danach (viele Barockgärten wurden in Landschaftsgärten umgewandelt), ist eines ganz klar festzustellen: Der Garten arbeitet mit Kraftlinien und -flüssen, die Raum und eine Landschaft so wirken lassen, daß sie dem, sich auf der Anlage befindenden Menschen zufließt, ganz egal, ob er nun König oder einfacher Bürger ist. Die Wirkung ist identisch und läßt sich jeden, der sich darauf einläßt, gleich fühlen.
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-Die heute gängige Interpretation, insbesondere seit der Aufklärung und der französischen Revolution im 18. Jahrhundert, ist es dagegen, das als absolutistisch, machtbesessen, übertrieben, überhöht und undemokratisch darzustellen, so als wäre die Kunst und der Luxus eine Art Ressourcenverschwendung angesichts der Armut vieler anderer Menschen, wofür man sich gefälligst zu beschneiden hätte. Hier schneidet sich der heutige Mensch ins eigene Fleisch, wodurch auch seine Umgebung immer kümmerlicher, immer kleinkarierter wirkt, da "gespart" und "Nachhaltigkeit" gewährleistet werden muß. 
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-Zum Glück wurde so nicht immer empfunden und der Mensch hat nach Höherem gestrebt, nach göttlicher Vollendung im Diesseits, hat Hemmungen fallengelassen und weder Kosten, noch Aufwand, noch Mühe geschont, um nicht nur unzählige Arbeiter samt Familien beim Bau zu ernähren, sondern auch gemeinsam etwas Überlebensgroßes zu schaffen, wie wir die Werke von Versailles oder Vaux-le-Vicomte noch heute bewundern können. Perfekte Landschaften, die nicht Kraft absaugen und einen hohl und leer zurücklassen, sondern Stabilität, Struktur, Klarheit und damit innere Ruhe zurückgeben. Es gibt etwas, auf das man sich verlassen kann - und zwar nicht Gott oder der Sonnenkönig, die hier nur stellvertretende Entitäten sind, sondern es geht um die viel wichtigere Autorität: Man selbst. 
  
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-Gehen wir zurück ins 17. Jahrhundert und spüren hinein, wie wohl ein Le Notre seinen König fühlen lassen will, wenn er sein Schloß verläßt, und auf die eigens für ihn geschaffene Landschaft blickt. Er ist Herrscher des Königreichs, ob es einem gefällt oder nicht: So soll er sich auch fühlen. Der Blick geht also weit in die Landschaft, in den Horizont an dem die Sonne untergeht, entlang des Kanals, der den Park in zwei Hälften teilt, welcher weit, weit in die Ferne geht und wo das Ende kaum zu sehen ist. Das Bewußtsein weitet sich, dehnt sich, wird quasi immer länger und länger, zieht sich schier in die Unendlichkeit bzw. eben soweit das Auge reicht. Dieses Stilprinzip hat sich Le Notre bereits in der Jugend angeeignet, denn er studierte bereits ab 17 die Gesetze der Perspektive und Optik in der Werkstatt des Barockmalers Simon Vouet.+Die heute gängige Interpretation, insbesondere seit der Aufklärung und der französischen Revolution im 18. Jahrhundert, ist es dagegen, das als absolutistisch, machtbesessen, übertrieben, überhöht und undemokratisch darzustellen, so als wäre die Kunst und der Luxus eine Art Ressourcenverschwendung angesichts der Armut vieler anderer Menschen, wofür man sich gefälligst zu beschneiden hätte. Hier schneidet sich der heutige Mensch ins eigene Fleisch, wodurch auch seine Umgebung immer kümmerlicher, immer kleinkarierter wirkt, da "gespart" und "Nachhaltigkeit" gewährleistet werden muß. 
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 +Zum Glück wurde so nicht immer empfunden und der Mensch hat nach Höherem gestrebt, nach göttlicher Vollendung im Diesseits, hat Hemmungen fallengelassen und weder Kosten, noch Aufwand, noch Mühe geschont, um nicht nur unzählige Arbeiter samt Familien beim Bau zu ernähren, sondern auch gemeinsam etwas Überlebensgroßes zu schaffen, wie wir die Werke von Versailles oder Vaux-le-Vicomte noch heute bewundern können. Perfekte Landschaften, die nicht Kraft absaugen und einen hohl und leer zurücklassen, sondern Stabilität, Struktur, Klarheit und damit innere Ruhe zurückgeben. Es gibt etwas, auf das man sich verlassen kann - und zwar nicht Gott oder der Sonnenkönig, die hier nur stellvertretende Entitäten sind, sondern eine viel wichtigere Autorität: Man selbst. 
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 +Gehen wir zurück ins 17. Jahrhundert und spüren selber hinein, wie wohl ein Le Nôtre seinen König fühlen lassen will, wenn er sein Schloß verläßt, und auf die eigens für ihn geschaffene Landschaft blickt. Er ist Herrscher des Königreichs, ob es einem gefällt oder nicht: So soll er sich auch fühlen. Der Blick geht also weit in die Landschaft, in den Horizont an dem die Sonne untergeht, entlang des Kanals, der den Park in zwei Hälften teilt, welcher weit, weit in die Ferne geht und wo das Ende kaum zu sehen ist. Das Bewußtsein weitet sich, dehnt sich, wird quasi immer länger und länger, zieht sich schier in die Unendlichkeit bzw. eben soweit das Auge reicht. Dieses Stilprinzip hat sich Le Notre bereits in der Jugend angeeignet, denn er studierte bereits ab 17 die Gesetze der Perspektive und Optik in der Werkstatt des Barockmalers Simon Vouet.
  
 Diese Weite erzeugt auch eine gewisse Grenzenlosigkeit, so als würde es hinter dem Horizont tatsächlich mit dem Garten weitergehen, der Herrschaftsbereich damit nicht endet, was auch zum Gesamtkonzept der Epoche des Barocks paßt: Grenzen verschwimmen, auch die zwischen Architektur, Malerei und Bildhauerei. Viele Skulpturen finden sich in Barockgärten, die das Schöne und Ideale darstellen sollen. Diese Weite erzeugt auch eine gewisse Grenzenlosigkeit, so als würde es hinter dem Horizont tatsächlich mit dem Garten weitergehen, der Herrschaftsbereich damit nicht endet, was auch zum Gesamtkonzept der Epoche des Barocks paßt: Grenzen verschwimmen, auch die zwischen Architektur, Malerei und Bildhauerei. Viele Skulpturen finden sich in Barockgärten, die das Schöne und Ideale darstellen sollen.
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   * Augustusburg, Brühl   * Augustusburg, Brühl
   * Großsedlitz   * Großsedlitz
 +  * Großer Garten, Hannover-Herrenhausen
 +  * Schwetzingen (teilw. englische Umgestaltung)
 +  * Würzburger Residenz
 +  * Sanssouci, Potsdam (Rokoko)
  
 Österreich: Österreich:
  
 +  * Belvedere, Wien
   * Schönbrunn, Wien   * Schönbrunn, Wien
 +  * Mirabell, Salzburg
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 +Niederlande:
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 +  * Het Loo, Apeldoorn
  
 Ost- und Nordeuropa: Ost- und Nordeuropa:
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   * Peterhof, St. Petersburg   * Peterhof, St. Petersburg
   * Drottningholm, Stockholm   * Drottningholm, Stockholm
 +  * Frederiksborg, Hillerød (Dänemark)
  
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