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Zengarten
Das Wesen der Dinge veranschaulicht
Der Zengarten gilt als besonders bekannte Variante des Japanischen Gartens, der vor allem im Kern vieler buddhistischer Tempel Japans seine Heimat hat. Er findet sich aber nicht nur dort. Und ist auch nicht unbedingt nur ein Steingarten (wobei diese sehr typisch sind). Das Geheimnis hinter der Gestaltung ist, daß in der Zen-Lehre etwas einfaches wie ein Stein, ein Baum, das Moos oder sogar die Erde die Buddhanatur in sich trägt, das heißt die potentielle Fähigkeit besitzt zu Buddha zu werden. Der Zengarten versucht das darzustellen.
Die Gartenbetrachtung verhilft zu der Erkenntnis, daß alle Dinge, so vergänglich sie auch sein mögen, miteinander in Verbindung stehen, da ihnen alle die Buddha-Natur bussho zu eigen sei - die Fähigkeit, das Nirwana, die Erlösung des Geistes zu erlangen.
- Musō Soseki, japanischer Gartenbaumeister, 1342
Hojo-Teien im Ryōan-ji, Kyoto/Japan 5)
Was diese Gärten so besonders macht
Es ist eine geheimnisvolle Atmosphäre, die eine ganz spezielle Wirkung erzielt. Der Unterschied zu anderen Gärten ist nämlich: Sie entstanden in Klöstern, Schulen des Bewußtseins, und versuchen damit einen echten Lebenssinn zugänglich zu machen, eine Orientierung zu bieten, die sonst im selbstvergessenen Alltag schon lange nicht mehr da ist. Sie helfen dabei, innerlich anzukommen, bei sich, beim Wesen der Dinge.
Es wird gezielt wenig gepflanzt, oder wenn dann nur mit wenigen Arten gearbeitet. Die Kargheit hat auch nichts mit Lebensverzicht oder Morbidität zu tun, sondern zielt darauf ab, die Ding klar zu halten, den Mensch und seinen Verstand, der die Szenerie auf sich wirken läßt, nicht zu überfrachten und beim Wesentlichen zu halten. Die sanften Wechselwirkungen, die sich-ändernden Lichtverhältnisse, die Schattierungen um die Steine herum, in den Wellen, das Blättchen auf dem Kies sprechen den Feinsinn des Betrachters an, schärfen die Sinne mit dem Ziel ein Zurückkommen ins Hier und Jetzt zu ermöglichen.
Die Verfestigung der Zeit
Gezielte Steinsetzungen spielen in der Gestaltung eine wichtige Rolle. Sie stellen etwas Festes dar, etwas, das vor allem den Effekt hervorrufen sollen, sie lägen da schon seit Ewigkeiten dort, wie wenn die Natur das schon so platziert hätte. Dieser Eindruck ist ganz besonders wichtig in einem Zengarten. Die Steine dürfen deshalb auch nicht so wirken, als würden sie im nächsten Moment umkippen, sondern es ist wichtig, daß sie im Gefüge zusammen Stabilität darstellen, um die Ewigkeit würdig repräsentieren zu können. Ergänzend dient hier Wasser als frisches, fließendes Element als perfekter Gegenpol, wobei das im Trockengarten mit der Wellenform in grobem Splitt natürlich nur simuliert wird. Das Wasser dient als dynamisches Element und Feld von Lebenskraft, während die Steine den statischen Aspekt der Wirklichkeit repräsentieren, völliges In-sich-Ruhen und Zentriert-Sein.
Zum Setzen des Steins ist es ratsam, das „Herz des Steines“ zu ermitteln. Da jeder Stein wie ein Mensch völlig individuell ist und seinen eigenen Charakter besitzt (und schon gar kein toter Gegenstand ist, wie gemeinhin angenommen) benötigt es auch ein abgestimmtes, völlig einzigartiges Eingehen auf den Stein. Hierfür ist es wichtig nicht nur seinen rationalen Überlegungen und sofort auftretenden Schlüssen zu folgen, sondern sich auf die Gegebenheit des Ortes in Präsenz mit all seinen Sinnen einzulassen, um so das Stimmigkeitsempfinden hierfür langsam aufkommen zu spüren, wie er sich an diesem Ort einzufinden hat. Schließlich soll dieser Stein, wenn nicht für die Ewigkeit, so doch für sehr lange Zeit so bleiben. Es lohnt sich hier also in Ruhe klarzumachen, wie die Platzierung erfolgen soll, ob aufrecht oder liegend, kombiniert oder in Einzelstellung. Hilfreich hierzu ist die Zen-Praxis des Nur-Sitzens, das heißt äußere Reize dienen nicht mehr Ablenkung; man sitzt mit sich und fängt an zu merken, was in einem selber vorgeht, denn darauf kommt es am Ende an. Nur so kann korrekt auf die Natur des Steines eingegangen werden, denn was ich selber zu einer Steinsetzungen empfinde, ist das, was dann jeder andere auch so empfindet, wenn er das auf sich wirken läßt.
Die innere Qualität
Zengärten sind eng mit der Lehre des Zen-Buddhismus verknüpft. Kurz und knapp geht es darum, daß äußere und innere Qualität nicht verschieden sind, sondern zwei Seiten derselben Medaille darstellen. Es geht nicht darum, was jemand tut, sondern wie jemand etwas tut. Wer achtsam die Wellen in das Kies seines Zengarten recht, wird auch achtsam Schritte ausführen, sein Fahrrad reparieren, seine Toilette säubern, sein Bett machen eben all die scheinbar banalen Dinge des Alltags in dieser Sorgfältigkeit und Intensität ausführen. Sie gewinnen in dem Moment an Glanz, die einfachen Dinge, und der Garten ist hierfür ein nützlicher Spiegel, der einem dabei zu helfen vermag.