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franzoesischer_garten

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Französischer Garten

Geschichte

Der Mensch als Former seiner Landschaft. Mit viel Aufwand wurden die Gärten im Auftrag der Adligen pompös errichtet, meist im 17. Jahrhundert, weswegen er in die Epoche des Barock fällt und daher auch Barockgarten genannt wird.

Als Begründer gilt André Le Nôtre. Er schuf die Gartenanlagen von Vaux-le-Vicomte und Versailles, letztere für den damaligen König Louis XIV., als Symbol für seine politische, monarchische Macht. Die Anlagen sollten im Zusammenwirken mit dem Palast schlichtweg beeindrucken, der Garten ein Spiegel, eine prunkvolle Manifestation von Ruhm und Pracht sein.

Schloßgarten Vaux-le-Vicomte:
Erster Barockgarten Frankreichs. 1)

Weitere Schüler Le Nôtres wie Desgots, Garnier d'Isle, Gabriel oder Girard führten den Stil nach seinem Tod 1700 weiter z. B. in den Anlagen von Château de Bagnolet, Champs, Crécy, Bellevue, Choisy, Compiègne, wie auch in Nymphenburg, Schleißheim, Brühl oder Wien, wobei nach und nach ein Trend zur Variierung zunahm:

Aufwändige Parterres aus Broderien mit ihren Kurven und Gegenkurven wurden durch Parterres aus Gras mit Blumenbeeten ersetzt, die leichter zu pflegen waren. Aus Kreisen wurden Ovale, sogenannte Rotulen, mit strahlenförmig nach außen verlaufenden Alleen, und es entstanden unregelmäßige Achteckformen. Die Gärten folgten nun der natürlichen Landschaft, anstatt Erde zu bewegen, um den Boden zu künstlichen Terrassen zu formen, was sich nach und nach auch in der Verdrängung und teilweise sogar Umformung von Barockgärten durch den englischen Stil ab 1750 zeigte, in denen aber die gebäudenahen Bereiche meist unangetastet blieben.


Charakteristika

Den französischen Garten zeichnen aus

  • Symmetrische Struktur, geometrisch gegliedert
  • Rationalität
  • Formgeschnittene Gehölze
  • Wasser gesammelt in großflächige Bassins, oft mit Fontänen und Wasserfällen

Als Weiterentwicklung des Renaissance-Gartens nahm er viele seiner Einflüsse auf, wie die strenge Geometrie, symmetrische Muster, die Anlage von Blumenflächen bzw. Parterres, Brunnen und Kaskaden zur Unterhaltung, Treppen und Rampen, um verschiedene Ebenen zu verbinden, sowie Grotten, Labyrinthe und mythologische Statuen, nur in viel größerem Maßstab, als es noch die vergleichsweise kleinen Renaissance-Gärten taten. Ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend, ging es auch in Französischen Gärten um Harmonie durch Ordnung. Werte der Renaissance (zu deutsch „Wiedergeburt“) spielten hier eine bedeutende Rolle, welche sich vor allem auf die Kunst der antiken Römer und Griechen bezog.

Aus dieser Grundströmung heraus entwickelte sich auch die Idee Französischer Gärten, mit der wichtigen Komponente, daß der Garten nicht nur für sich stand, sondern das Gebäudekomplex, wie das Schloß, hierbei als integraler Bestandteil in die Gartenarchitektur mit einbezogen wurde, was vorher nicht üblich war.

Folgende Elemente zählen zu den Hauptbestandteilen eines Garten französischer Prägung:

Element (frz.) Element (deu.) Erklärung
Allée Alleen Gerade Wege, von Bäumen gesäumt
Bosquet Boskett/Wäldchen Gruppe von Bäumen, in der Regel in einiger Entfernung vom Haus, die als Zierde dienen; Lustwäldchen
Broderie Parterre Flaches, nur niedrig bepflanztes Gelände, in Form einer ebenen Terrasse; viele Varianten
Jeux d'eau Wasserspiele Übergriff für Wasserverwendung in Gartenanlagen
Patte d'oie Gänsefuß Wenn mindestens drei Straßen oder Wege strahlenförmig von einem zentralen Punkt ausgehen
Saut de loup Ha-ha Versteckte, abgesenkte Grenze in der Landschaft
Topiary Formschnitt Schnitttechnik um Pflanzen geometrisches, architektonisches oder ornamentales Aussehen zu geben

Pflanzen

Eibe, geometrisch formgeschnitten 2)

In seinem von ‚beglückender Mathematik‘ bestimmten Gartenstil ordnen sich die Pflanzen mit ihren Eigenarten und Wirkungen der Architektur und Ornamentik des Gartens unter. Hainbuche und Buchsbaum sind – neben Stein, Holz und Wasser – die lebendigen Werkstoffe, mit deren Hilfe Linie und Quadrat, Arabeske und Palmette, Perspektive und Harmonie geschaffen werden.3)

In den Gärten angegliederten Orangerien, die dafür sorgten, daß nicht-frostharte Gewächse den Winter überstanden, fanden exotische Gehölze wie Zitruspflanzen ihren Unterstand.


Wirkung

Ein Garten spiegelt immer die Kultiviertheit und den Intellekt seines Bauherrn wieder. In Französische Gärten floß daher das beste Know-How seiner Zeit hinein.

Anders als viele herkömmliche Interpreten der Zeit danach (viele Barockgärten wurden in Landschaftsgärten umgewandelt), ist eines ganz klar festzustellen: Der Garten arbeitet mit Kraftlinien und -flüssen, die Raum und eine Landschaft so wirken lassen, daß sie dem, sich auf der Anlage befindenden Menschen zufließt, ganz egal, ob er nun König oder einfacher Bürger ist. Die Wirkung ist identisch und läßt sich jeden, der sich darauf einläßt, gleich fühlen.

Schloß Versailles:
Blick die Hauptachse herunter 4)

Die heute gängige Interpretation, insbesondere seit der Aufklärung und der französischen Revolution im 18. Jahrhundert, ist es dagegen, das als absolutistisch, machtbesessen, übertrieben, überhöht und undemokratisch darzustellen, so als wäre die Kunst und der Luxus eine Art Ressourcenverschwendung angesichts der Armut vieler anderer Menschen, wofür man sich gefälligst zu beschneiden hätte. Hier schneidet sich der heutige Mensch ins eigene Fleisch, wodurch auch seine Umgebung immer kümmerlicher, immer kleinkarierter wirkt, da „gespart“ und „Nachhaltigkeit“ gewährleistet werden muß.

Zum Glück wurde so nicht immer empfunden und der Mensch hat nach Höherem gestrebt, nach göttlicher Vollendung im Diesseits, hat Hemmungen fallengelassen und weder Kosten, noch Aufwand, noch Mühe geschont, um nicht nur unzählige Arbeiter samt Familien beim Bau zu ernähren, sondern auch gemeinsam etwas Überlebensgroßes zu schaffen, wie wir die Werke von Versailles oder Vaux-le-Vicomte noch heute bewundern können. Perfekte Landschaften, die nicht Kraft absaugen und einen hohl und leer zurücklassen, sondern Stabilität, Struktur, Klarheit und damit innere Ruhe zurückgeben. Es gibt etwas, auf das man sich verlassen kann - und zwar nicht Gott oder der Sonnenkönig, die hier nur stellvertretende Entitäten sind, sondern eine viel wichtigere Autorität: Man selbst.

Gehen wir zurück ins 17. Jahrhundert und spüren selber hinein, wie wohl ein Le Nôtre seinen König fühlen lassen will, wenn er sein Schloß verläßt, und auf die eigens für ihn geschaffene Landschaft blickt. Er ist Herrscher des Königreichs, ob es einem gefällt oder nicht: So soll er sich auch fühlen. Der Blick geht also weit in die Landschaft, in den Horizont an dem die Sonne untergeht, entlang des Kanals, der den Park in zwei Hälften teilt, welcher weit, weit in die Ferne geht und wo das Ende kaum zu sehen ist. Das Bewußtsein weitet sich, dehnt sich, wird quasi immer länger und länger, zieht sich schier in die Unendlichkeit bzw. eben soweit das Auge reicht. Dieses Stilprinzip hat sich Le Notre bereits in der Jugend angeeignet, denn er studierte bereits ab 17 die Gesetze der Perspektive und Optik in der Werkstatt des Barockmalers Simon Vouet.

Diese Weite erzeugt auch eine gewisse Grenzenlosigkeit, so als würde es hinter dem Horizont tatsächlich mit dem Garten weitergehen, der Herrschaftsbereich damit nicht endet, was auch zum Gesamtkonzept der Epoche des Barocks paßt: Grenzen verschwimmen, auch die zwischen Architektur, Malerei und Bildhauerei. Viele Skulpturen finden sich in Barockgärten, die das Schöne und Ideale darstellen sollen.


Verwirklichte Anlagen von Weltrang

Frankreich:

  • Vaux-le-Vicomte
  • Meudon
  • Saint-Cloud
  • Sceaux
  • Chantilly
  • Saint-Germain-en-Laye
  • Château de Bagnolet
  • Champs
  • Crécy
  • Bellevue
  • Choisy
  • Compiègne

England:

  • Greenwich, London
  • St. James Park, London (teilw. englische Umgestaltung)

Deutschland:

  • Herrenchiemsee
  • Nymphenburg, München (teilw. englische Umgestaltung)
  • Eremitage, Bayreuth
  • Augustusburg, Brühl
  • Großsedlitz
  • Großer Garten, Hannover-Herrenhausen

Österreich:

  • Schönbrunn, Wien

Ost- und Nordeuropa:

  • Peterhof, St. Petersburg
  • Drottningholm, Stockholm

3)
Gerda Torniepoth: Buchs im Garten. BLV Verlagsgesellschaft, München 2001, S. 13
franzoesischer_garten.1648984042.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/04/03 13:07 von cn